Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 17. Dezember 2020 zu Abschalteinrichtungen in Kraftfahrzeugen betrifft ein französisches Strafverfahren, bei dem es entscheidend darauf ankam, ob die im konkreten Fall verbaute Technik eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Genau geht es um den Verbau einer Umschaltlogik, mit der das Fahrzeug einen Prüfzyklus im Labortest erkennt mit der Folge, dass die NOx-Werte im realen Verkehr steigen. Der EuGH hatte sich mit den Argumenten des Herstellers auseinanderzusetzen, der die Zulässigkeit solcher Abschalteinrichtungen unter anderem mit dem Argument des Motorschutzes begründet hatte. Die Entscheidung betrifft damit den seit 2015 bekannten Sachverhalt einer Zykluserkennung. Bereits 2015 hat das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) die Unzulässigkeit einer solchen Abschalteinrichtung festgestellt, im konkreten Fall erklärt und somit zum Gegenstand von entsprechenden Entscheidungen gemacht. Das KBA hat in diesen Fällen gegenüber betroffenen Herstellern verbindliche Rückrufe angeordnet. In Deutschland betraf dies rund 3 Millionen Fahrzeuge. Die Informationen zu verpflichtenden Rückrufen sind auf der Internetseite des KBA abrufbar. Das KBA hat als Maßstab eine sehr enge Auslegung der Ausnahmeregelungen für die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen angewandt und dabei entsprechend den Vorgaben des Artikels 5 Absatz 2 zu Abschalteinrichtungen in der europäischen Verordnung (EG) Nummer 715/2007 agiert. Grundlage für entsprechende Entscheidungen, ob es sich um eine Abschalteinrichtung handelt und ob diese unter Anwendung der Regelungen des Artikels 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nummer 715/2007 ausnahmsweise zulässig ist, ist stets die Prüfung des Einzelfalls, für die eigene Untersuchungen und Messungen des KBA erfolgen. Das KBA sieht sich durch die Entscheidung des EuGH in seinem seit 2015 praktizierten Vorgehen bestätigt.
Die Entscheidung des EuGH geht nicht auf die Frage der Zulässigkeit von temperaturabhängigen Abschalteinrichtungen ein. Diese Fragestellung wird vielmehr in einem separat laufenden Verfahren des EuGH behandelt, zu dem eine Entscheidung im zweiten Halbjahr des Jahres 2021 erwartet wird. Das KBA verzeichnet dazu vermehrt Anfragen, deswegen wird die Stellungnahme des KBA vom 17.12.2020 in dieser Sache ergänzt.
Mit dem vorliegenden Urteil stellt der EuGH fest, dass grundsätzlich alle Abschalteinrichtungen zulässig sind, die den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden schützen. Auch temperaturabhängige Abschalteinrichtungen können plötzlich auftretende und außergewöhnliche Motorschäden verhindern, indem sie übermäßige Ablagerungen im Motor (Versottung, Verlackung) oder die Verdünnung des Motoröls mit Kraftstoff unterbinden. Dies zeigt auch eine aktuelle wissenschaftliche Studie der Technischen Universitäten Karlsruhe, Darmstadt und Magdeburg.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Schäden, wie sie zum Beispiel durch Vereisungen im Motoransaugtrakt entstehen können. Solche Schäden können abhängig von den Fahr- und Umgebungsbedingen unvorhersehbar schnell und plötzlich auftreten und können nicht durch ein angepasstes Serviceintervall vermieden werden. Die thermodynamische Komplexität solcher Effekte ist hoch und die Wechselwirkung zu Fahrweisen und Fahrbedingungen lassen eine verlässliche, pauschale Vorhersage der Auswirkungen solcher Schäden nicht zu.
In jedem Einzelfall prüft das KBA daher, ob solch ein Fall vorliegt oder ob die Grenzen der temperaturabhängigen Abschalteinrichtung nicht zu eingrenzend gewählt wurden und aus der Motorschutzeinrichtung eine "Motorschoneinrichtung" wurde, die lediglich dazu dient, Serviceintervalle zu verlängern oder regelmäßige Inspektionen zu verringern. Solche Thermofenster sind grundsätzlich unzulässig und wurden vom KBA auch bislang nicht akzeptiert.